“Früher hatte ich eine Anfrage im Monat, plötzlich waren es fünf Interviews am Tag”

Álvaro Calafat aus Málaga ist der spanische Modedesigner der Stunde und verkauft dieses Wochenende seine aktuelle Kollektion FIAMMA in einem Pop-Up Shop im Zentrum von Málaga

Modedesigner Álvaro Calafat
Álvaro Calafat mit seiner Partnerin Ana Ponf bei der Madrid Fashion Week 2023.

Modedesigner Álvaro Calafat im Interview

Was in den letzten zwei Jahren rund um den aus Málaga stammenden Modedesigner Álvaro Calafat alles geschehen ist, hätte er sich wohl selbst in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können.

Nach dem Studium in Cádiz wird eine seiner ersten eigenen Kollektion, 3LeMorte, im Jahr 2022 plötzlich der Renner bei der Mercedes Benz Madrid Fashion Week, der wichtigsten Modemesse des Landes und einer der bedeutendsten weltweit. Calafat ist zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 27 Jahre alt und von einem auf den anderen Tag plötzlich ein gefragter Star.

Danach konnte er sich von Anfragen kaum mehr retten. Von Königsfamilien über Musiker und Schauspieler bis zu großindustriellen Modeketten war so ziemlich alles dabei. Doch Calafat blieb auf dem Teppich – soweit das geht-, schlug unter anderem einen Umzug nach Madrid aus, schuftet weiter in seiner eigenen Schneiderei in seinem Heimatort Alhaurín de la Torre und trifft sich Montagabend mit seinen Kumpels zum Fußballspielen.

Bei der letztjährigen Fashion Week in Madrid suchte er sich einen anderen Schauplatz für seine seine aktuelle Kollektion Fiamma, die er abseits der Messe mitten in der Stadt präsentierte und bei der unter anderem auch lokale Musiker und Schauspieler mitwirkten.

Wir haben uns mit Álvaro Calafat in seiner Schneiderei getroffen und entspannt über seinen Werdegang, seine Erfolge und seine Ziele geplauscht.

Álvaro, du bist gerade erst 28 Jahre alt und bereits einer der gefragtesten Designer des Landes und in Europa. Wie geht man damit um?

Ganz ehrlich? Es ist der Wahnsinn und ich genieße es momentan wirklich sehr.

Wie kam es zu diesem brisanten Aufstieg in so kurzer Zeit?

Ich habe mich 2020 mit meiner Abschlussarbeit an der Kunstschule in Cádiz, die ich “Capítulo 1: Desequilibrio” genannt habe und einen total neuen Look kreieren wollte, bei einem der wichtigsten landesweiten Modewettbewerb angemeldet. Die haben meine Kollektion aber ziemlich schroff abgelehnt und meinten, ich mache Kleider für Nonnen. Das war natürlich ein harter Schlag. Daraufhin habe ich mich bei der Modeplattform 080 Barcelona Fashion beworben, obwohl ich wusste, dass man da nur sehr schwer reinkommt. Und siehe da, die hatten eine ganz andere Meinung.

Wie ging es dann weiter?

Wir mussten dann in wenigen Monaten einige weitere Looks designen, weil die Vorgabe war, mindesten 19 verschiedene Kreationen zu präsentieren. Puh, das war eine heftige Zeit, wenn ich daran zurückdenke. Wir haben es aber geschafft und durften die Kollektion präsentieren. Die Show war dann im März 2021 und definitiv mein Türöffner in die Welt der Mode.

Und dann kamen die ersten Aufträge?

Es gab ja schon vorher Aufträge, aber dann wurde es auf einen Schlag ziemlich viel. Zu viel, so dass wir uns irgendwann gesagt haben: Stopp! Einmal tief durchatmen und sammeln. Wir, also meine Lebenspartnerin Ana Ponf, die ich während des Studiums kennengelernt habe, und ich haben uns zuerst einmal professionalisiert, eine Firma gegründet, Mitarbeiter angestellt und so weiter. Und währenddessen entstand meine zweite Kollektion: Capítulo 2: Recuerdo.

Daraufhin kam die Anfrage der Fashion Week Madrid?

Nicht ganz, denn du musst dich dort als Designer erst einmal bewerben. Dann gibt es eine Vorauswahl und dabei muss man sein Projekt mit allem Drum und Dran präsentieren.

Ist es denn normal, dass sich dabei viele junge Modedesigner bewerben?

Es ist normal, dass sich viele junge Talente bewerben, aber es nicht normal, dass davon einer wirklich genommen wird. Ich glaube, ich war der bisher einzige unter 30-Jährige, der bei der Fashion Week seine Kollektion auf dem Laufsteg präsentieren durfte.

Du hast in Madrid deine dritte Kollektion 3LeMorte präsentiert. Erzähl uns etwas dazu.

Eine indische Legende sagt, dass die zwei Extreme der Liebe zum einen der Tod und zum anderen der Sex sind. Ich habe 2020 einen guten Freund verloren und damals viel über den Tod nachgedacht, wie man damit zum Beispiel hier in Andalusien umgeht. Hier ist immer alles voller Trauer. Ich glaube aber, dass man auch ganz anders damit umgehen kann und sollte. Zum Beispiel an die guten Zeiten denken, die man mit der Person verbracht hat, oder warum man sie geliebt hat. Daraus kann man viel Positives ziehen und nicht einfach nur trauern, des Trauerns Willen. Das Leben geht weiter und man sollte das Beste daraus machen.

Nach Deiner Show bei der MBFWM 2022 stand das Telefon dann nicht mehr still, oder?

Das war brutal. Früher gab ich vielleicht mal ein Interview im Monat und plötzlich hatte ich fünf Interviewtermine am Tag. Es kamen auch immer mehr individuelle Anfragen rein, wie zum Beispiel die Anfertigung eines Hochzeitskleides oder ähnliches. Wir haben auch eine Anfrage für Schuluniformen bekommen. Da hatten wir am Anfang schon eine gewisse Skepsis, aber es hat uns richtig Spaß gemacht. Es war zudem die Schule, wo ich als Kind hingegangen bin. Aber es gab auch viele Termine in Ausland, in Berlin zum Beispiel. Aber ich darf leider nicht alles sagen, was ich mache (lacht).

* Das folgende Video zeigt eine knapp einstündige Dokumentation von der Erstellung der Kollektion 3LeMorte in Alhaurín de la Torre bis zur Show von Álvaro Calafat bei der Mercedes Benz Fashion Week in Madrid im Jahre 2022:

Wie läuft eigentlich die Zusammenarbeit mit Ana, Deiner Partnerin?

Wir ergänzen uns sehr gut. Sie ist die Chefin hier in der Schneiderei, kümmert sich aber auch viel um Behördenkram, irgendwie um alles ein bisschen. Ich bin eher für das Kreative zuständig, die Materialien, die Shows. Wir teilen uns die Arbeit ganz gut auf untereinander.

Das Thema Nachhaltigkeit wird bei Euch sehr großgeschrieben, habe ich gehört.

Wir versuchen es auf jeden Fall, aber man muss auch ehrlich sagen: Man kann Klamotten nicht hundertprozentig nachhaltig produzieren. Wer das behauptet, der lügt einfach. Aber wir legen zum Beispiel Wert darauf, dass unsere Mode hier in Spanien und bestenfalls in Andalusien hergestellt wird, mit lokalen Materialien falls möglich. Sehr wichtig ist uns zudem die humane Nachhaltigkeit. Das bedeutet wie wir zum Beispiel unsere Mitarbeiter bezahlen, woher sie kommen oder zu welchem Preis wir unsere Stoffe und Waren einkaufen. Das muss stimmen, alle müssen mitverdienen und glücklich mit der Zusammenarbeit sein.

Von der Nachhaltigkeit mal abgesehen, was denkt ein Álvaro Calafat über Modekonzerne wie Inditex?

Was ich wirklich gut finde, ist die Tatsache, dass dank Inditex und Co. heute jeder Zugang zu schöner Kleidung hat. Was ich auf der anderen Seite wiederum weniger verstehe, ist, warum diese Konzerne so extrem voneinander kopieren. Denn die könnten sich alle ohne Probleme Topdesigner leisten, um individuellere Dinge zu kreieren.

Gehen wir nochmal zurück zu Deinen Anfängen. Bevor du zur Mode kamst, bist Du mit einer Kochlehre ins Berufsleben gestartet, richtig?

Das stimmt. Ich hatte in der Schule einfach keine Lust zum Lernen, habe nicht mal das Abitur gemacht. Also dachte ich, ich werde Koch. Dabei hatte ich das Glück, unter anderem in Marbella in einem der Lokale von Dani García zu arbeiten. In den Restaurants waren die Schichten damals um die 15, 16 Stunden, das Gehalt ein Witz und das hat mich echt ausgelaugt. Ich war erst 19 Jahre alt und dachte: Das kann es doch nicht sein! Da falle ich ja mit 40 um.

Und wie kamst Du dann zur Mode?

Keine Ahnung (lacht). Nach meinen Anfängen als Koch war ich noch eine Zeit lang Rettungsschwimmer. Mir hat aber schon immer das Künstlertum und Showbusiness gefallen, die Festlichkeiten mit ihren Gewändern und das Design. Und dann bin ich auf die Kunstschule nach Cádiz, wo es einen Studiengang zum Modedesigner gab.

Und der Rest ist Geschichte?

Kann man so sagen. Obwohl ich von den teilweise strikten und einseitigen Vorgaben einiger Lehrer und Professoren an der Kunstschule alles andere als angetan war, gab es natürlich auch welche, die die Kreativität gefördert haben. Zusammen mit Ana haben wir dann schon während der Studienzeit an eigenen Kreationen gearbeitet, weil ich einfach auch Feedback von außerhalb gebraucht habe. Wir hatten mit die schlechtesten Noten der Klasse, aber diese bezogen sich eben nur auf die subjektiven Meinungen der Lehrer.

Was steht in der kommende Zeit alles an?

Wir haben in Madrid einen sogenannten Pop-Up Shop eröffnet. Das bedeutet, wir mieten für kurze Zeit eine Wohnung oder ein Lokal an und verkaufen für ein paar Tage dort Mode unserer aktuellen Kollektion. Madrid war Wahnsinn, die Leute haben teilweise Schlange gestanden. Am heutigen Samstag, den 24. Februar und Sonntag, den 25. Februar wird es einen Pop-Up Store in Málagas Zentrum geben, von 10:30 Uhr bis 20:30 Uhr im ersten Stock der Calle Cisneros 5 unweit der Plaza Constitución. Wer Lust hat vorbeizukommen, ist herzlich eingeladen. Darüber hinaus planen wir in Alhaurín de la Torre eine Schneiderei mit eigener Produktionsstätte, wo wir weitere nachhaltige Arbeitsplätze schaffen wollen. Und es wird natürlich neue Kollektionen geben und und und.

Ich sehe schon, langweilig wird Dir in den kommenden Jahren erst einmal nicht. Und Montags zum Fußball, oder?

Immer wenn ich vor Ort bin und Zeit habe, gehe ich montags mit den Jungs kicken. Das ist mir heilig.

Wer Interesse an der Mode von Álvaro Calafat hat, der kann sich auf seiner Webseite einige Kreationen der aktuellen Kollektion bestellen. Produziert wird immer erst nach Auftragseingang, so dass die Fertigstellung bis zu 15 Tage dauern kann. Alle Infos gibt es unter https://alvaro-calafat.com/.

HINTERLASSE EINE ANTWORT

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein