125 Jahre SMS Gneisenau Málaga
Am 16. Dezember 1900 sank die deutsche Korvette SMS Gneisenau vor dem Hafen von Málaga – ein tragisches Unglück, bei dem 41 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen.
Was damals eine menschliche Katastrophe bedeutete, gilt als Grundstein der guten Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien: Zahlreiche Malagueños riskierten ihr Leben, um deutsche Matrosen aus den Fluten zu retten.
Für diese außergewöhnliche Hilfsbereitschaft verlieh die damalige Regentin von Spanien, Königin Maria Christina der Stadt den Ehrentitel “Ciudad Hospitalaria” (“sehr gastfreundliche Stadt”). Der Titel ist bis heute im Stadtwappen von Málaga zu finden.
Als Zeichen der Dankbarkeit stiftete das Deutsche Kaiserreich unter Wilhelm II. einige Jahre später eine Brücke, nachdem Málaga von schweren Überschwemmungen getroffen worden war. Die Puente de los Alemanes, die Deutsche Brücke, überspannt den Río Guadalmedina und verbindet die Altstadt mit dem Stadtteil El Perchel – ein bis heute sichtbares Zeichen der deutsch-spanischen Freundschaft.
Noch immer wird jedes Mal, wenn ein Schiff der deutschen Marine Málaga anläuft, der Toten auf dem Englischen Friedhof gedacht – dort, wo die Besatzungsmitglieder der Gneisenau ihre letzte Ruhestätte fanden.

Zum 125. Jahrestag des Unglücks organisiert das Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Málaga gemeinsam mit dem Deutschen Wirtschaftsforum Andalusien (DWA) und mit Unterstützung der Stadt Málaga eine Gedenkveranstaltung.
Wir haben mit dem deutschen Konsul, Franko Stritt, über die Bedeutung des Jahrestags und die geplanten Veranstaltungen gesprochen.
Warum ist das Thema Gneisenau auch nach 125 Jahren noch so bedeutend?
Der Untergang der Gneisenau hatte einen großen Einfluss auf die deutsch-spanische – oder genauer gesagt: die deutsch-malagueñische – Geschichte. Die Bevölkerung Málagas setzte damals alles daran, die Schiffbrüchigen zu retten. Über 400 Männer mussten versorgt und untergebracht werden – in einer Stadt, die zu jener Zeit keineswegs wohlhabend war. Viele Familien nahmen die Überlebenden in ihren privaten Häusern auf.
Diese spontane Solidarität beeindruckt bis heute und war quasi die Initialzündung für die andauernde Freundschaft zwischen Deutschland und Málaga – eine Tatsache, die übrigens auch Málagas Bürgermeister Francisco de la Torre immer wieder betont.
Wer organisiert die Gedenkveranstaltung?
Im Konsulat sind wir ein kleines Team und kümmern uns nicht nur um klassische Konsularangelegenheiten, sondern auch um Kultur, Wirtschaft, Presse, Politik, Protokoll und Verwaltung. Vieles bleibt da an wenigen Personen hängen – aber wir wollten in jedem Fall etwas Großes zum 125-jährigen Jahrestag des Untergangs der Gneisenau organisieren.
Ich bin dann im Protokoll des Deutschen Wirtschaftsforums Andalusien (DWA) auf den Hinweis gestoßen, dass es auch dort bereits die Idee einer Gedenkveranstaltung gab – da war klar: Wir ziehen das gemeinsam auf.
Weiß man heute genau, was damals passiert ist? Lässt sich das rekonstruieren?
Was genau vor dem Hafen von Málaga geschah, lässt sich heute nicht mehr bis ins letzte Detail klären. Nach Berichten von Zeitzeugen und späteren Recherchen kam es offenbar zu einem fatalen Missverständnis zwischen Maschinenraum und Kommandobrücke. Ein schwerer Sturm war aufgezogen, und die Gneisenau drohte in ihrer Ankerposition gefährlich nahe an die Mole gedrückt zu werden. Um ein Auflaufen zu verhindern, ließ der Kapitän die Anker lichten – in dem Glauben, die Maschine laufe bereits mit 50 Umdrehungen pro Minute, also mit ausreichend Kraft, um das Schiff sicher zu manövrieren.
Tatsächlich lag die Drehzahl jedoch nur bei 15 Umdrehungen – viel zu wenig, um dem starken Seegang standzuhalten. Die Gneisenau wurde manövrierunfähig, trieb gegen die Hafenmole und zerschellte schließlich an den Felsen.
Ist das alles dokumentiert?
Im vergangenen Jahr haben wir dem Rathaus von Málaga drei umfangreiche Ordner mit historischen Unterlagen übergeben – darunter Fotos, Briefe, Zeitungsartikel und offizielle Schriftstücke rund um das Unglück. Zusammengetragen hat das alles eine engagierte Mitarbeiterin: Gloria Carillo, eine Spanierin, die in Deutschland geboren wurde und über 40 Jahre lang im Konsulat gearbeitet hat.
Im Konsulat waren die Dokumente bislang nicht öffentlich zugänglich – aber sie sollten nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb haben wir sie bewusst dem Stadtarchiv übergeben.
Alle verstorbenen Soldaten wurden auf dem Englischen Friedhof in Málaga beigesetzt – warum?
Der Englische Friedhof in Málaga war damals der einzige Ort, an dem Nichtkatholiken würdevoll beerdigt werden konnten. Auf den städtischen Friedhöfen durften laut damaliger Regelung nur Katholiken bestattet werden. Protestanten hingegen wurden oft außerhalb der Stadt, teils sogar provisorisch am Strand, begraben – wo die Leichen mit der nächsten Flut verschwanden.
Das war dem damaligen britischen Konsul ein unhaltbarer Zustand. Er setzte durch, dass ein eigener Friedhof außerhalb der Stadtmauern geschaffen wurde – der heutige Englische Friedhof. Ursprünglich für Briten angelegt, wurde er rasch zur Ruhestätte aller Nichtkatholiken. So fanden auch die protestantischen Seeleute der Gneisenau dort ihre letzte Ruhe.
Bis heute ist unklar, warum ausschließlich protestantische Besatzungsmitglieder der Gneisenau bestattet wurden. Es gibt die Erzählung, dass viele katholische Matrosen zum Zeitpunkt des Unglücks – es war ein Sonntag – in der Kirche zur Messe gewesen sein sollen und deshalb überlebten.
Ob das stimmt, lässt sich heute nicht mehr eindeutig sagen. Fest steht: Von katholischen Seeleuten, die in Málaga bestattet wurden, ist nichts bekannt.
Welche Feierlichkeiten sind zum 125. Jahrestag geplant – und wer wird daran teilnehmen?
Die Hauptgedenkveranstaltung findet am 16. Dezember 2025 am Untergangsort der Gneisenau statt. Dort soll auch eine Gedenkplakette angebracht werden. Außerdem ist am selben Tag eine ökumenische Gedenkmesse in der Kathedrale von Málaga geplant – voraussichtlich um 18 Uhr.
Diese beiden Veranstaltungen, – die Gedenkveranstaltung am Untergangsort und der ökumenische Gottesdienst – sind die beiden zentralen Ereignisse am 16. Dezember. Zu beiden werden auch die zivilen und militärischen Würdenträger der Stadt eingeladen.
Unser Ziel ist es, dass ein deutsches Marineschiff rund um den 16. Dezember in Málaga anlegt. Die Marine hat grundsätzlich Zustimmung signalisiert – vorausgesetzt, ein passendes Schiff befindet sich zu diesem Zeitpunkt in der Region oder auf dem Weg dorthin. Wir hoffen, dass der Besuch entsprechend eingeplant werden kann.
Unabhängig davon ist auch der Auftritt einer Militärkapelle vorgesehen. Sie soll am Gedenktag auf dem Englischen Friedhof spielen und möglicherweise zusätzlich den Gottesdienst in der Kathedrale musikalisch begleiten.
Die Militärkapelle der Bundeswehr soll – wenn sie schon einmal vor Ort ist – auch an anderen Orten auftreten. Geplant ist ein öffentliches Konzert, etwa in einem städtischen Musikpavillon. Auch ein Besuch an den deutschen Schulen in Sevilla und Málaga ist geplant: Dort sollen Musiker Workshops und Unterricht mit den Schülern gestalten.
Wird es noch weitere Konzerte geben?
Ein besonderes Konzert ist in Planung, das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Die Initiative kam von einem in Deutschland lebenden spanischen Gitarristen, der gemeinsam mit einer Sängerin ein Konzert im Rahmen der Gedenkveranstaltungen gestalten möchte.
Im Mittelpunkt steht die Musik des deutsch-spanischen Komponisten Emilio Lehmberg Ruiz, dessen 120. Geburtstag sich 2025 jährt. Das Programm verbindet Werke von Lehmberg Ruiz mit klassischen Gitarrenstücken, deutschen Liedern und maritimen Motiven – ein stimmiges Konzept, das sich hervorragend in den Rahmen der Gedenkfeier einfügt.
Emilio Lehmberg Ruiz war der Sohn von Otto Lehmberg, einem deutschen Matrosen, der den Untergang der SMS Gneisenau überlebte. Otto Lehmberg blieb nach dem Unglück in Málaga und heiratete eine einheimische Frau, was die deutsch-spanische Verbindung der Familie begründete.
Wird es auch Ausstellungen geben?
Eine große Museumsausstellung ist derzeit nicht vorgesehen. Stattdessen ist eine Open-Air-Ausstellung am Muelle Uno im Hafen von Málaga geplant – mein persönliches Lieblingsprojekt.
Dort sollen auf großformatigen Schautafeln zweisprachige Inhalte präsentiert werden – auf Deutsch und Spanisch, ergänzt durch QR-Codes für barrierefreie digitale Zugänge. Die Stadt hat bereits signalisiert, dass sie die Flächen kostenfrei zur Verfügung stellt.
Gezeigt werden könnten historische Fotos, Briefe, Einladungskarten – etwa zu einem Empfang an Bord der „Gneisenau“ am Vorabend des Unglücks – und ein bewegender Bericht des überlebenden Ersten Offiziers an den Kaiser. Auch persönliche Gegenstände und Relikte aus der Bevölkerung könnten mit einfließen.
Können Sie uns noch etwas zum zeitlichen Ablauf und der weiteren Planung sagen?
Viele Daten stehen noch nicht fest – in etwa einem Monat wird das Programm konkreter sein. Der Zeitrahmen ist in etwa Ende September bis zum Höhepunkt, dem Ökumenischen Gottesdienst in der Kathedrale von Málaga am 16. Dezember. Wir sind froh, dass der DWA dank der Ideen und der guten Vernetzung seiner Mitglieder ein zentraler Partner bei den Planungen ist.
Welche Rolle spielt die Stadt Málaga bei den Gedenkfeierlichkeiten?
Die Stadt unterstützt das Projekt umfassend. Eine der Cofradías (Bruderschaften) hat bereits ihre Räumlichkeiten für verschiedene Veranstaltungen angeboten – mit Platz für bis zu 300 Gästen. Auch mit den zuständigen Stadträten besteht enger Kontakt, alle zeigen sich offen und engagiert.
Málagas Bürgermeister Francisco de la Torre bringt das Thema „Gneisenau“ regelmäßig zur Sprache, wenn deutsche Delegationen zu Besuch sind. Für ihn ist das Unglück ein Schlüsselmoment in den Beziehungen zwischen Deutschland und Málaga.
Viele der überlebenden deutschen Seeleute blieben übrigens nach dem Unglück in Málaga. Einige heirateten spanische Frauen, gründeten Familien und wurden Teil der Stadtgesellschaft. Auch das ist Teil des Vermächtnisses der Gneisenau – ein Stück gelebter Geschichte, das bis heute nachwirkt.
Weitere Informationen zum Untergang der Gneisenau und zum Leben des Komponisten Emilio Lehmberg Ruiz: https://www.canalsurmas.es/videos/147109-documentales-01062024