Spielkarten aus Macharaviaya
Inmitten von weiß getünchten Häusern und engen Gassen erinnern im andalusischen Macharaviaya heute nur noch Steine, Straßennamen und ein altes Fabrikgebäude an eine bemerkenswerte Epoche: die Produktion staatlicher Spielkarten für das spanische Kolonialreich.
Die Spielkartenfabrik, die von 1776 bis 1815 bestand, gehörte einer einflussreichen Familie aus Macharaviaya, der Familie Gálvez, deren fünf Brüder am amerikanischen Abenteuer teilnahmen.
Dadurch entstand eine Kommunikation zwischen der ‚Neuen Welt‘ und der Gemeinde Macharaviaya, die sodann als ‚kleines Madrid‘ bekannt wurde. Der Verantwortliche für den Bau und die Umsetzung dieses großen Projekts war der italienische Techniker und Geschäftsmann Félix Solesio.
Er erhielt im Jahr 1776, auf königlichen Erlass, die Erlaubnis zur Gründung der ‚Real Fábrica de Naipes de Macharaviaya‚. In den folgenden Jahrzehnten besaß die Spielkartenmanufaktur ein Monopol: 30.000 Kartendecks wurden hier jährlich produziert und für den Export in die ‚Indias‘, insbesondere nach Mexiko und Kuba, vorbereitet.
Wirtschaftlicher Aufschwung für Macharaviaja
Zunächst bescherte der Betrieb Macharaviaya einen wirtschaftlichen Aufschwung. Werkshallen und Papiermühlen wurden eingerichtet und rund 60 Familien zogen in das Dorf, um sich der Fertigung der Karten zu widmen. Diese bestand aus den folgenden vier Schritten: Papierherstellung, Kartendruck, Stanzen und Verpackung.
Die Karten wurden aus einem Spezialpapier hergestellt, das zunächst in Barcelona und Genua gekauft und einige Jahre später in Benalmádena produziert wurde.

Als Motive auf den Karten waren Sterne, Muscheln und Würfel abgebildet, die Rückseiten waren in den Farben Blau, Rot und Grün gehalten.
Einige Experten behaupten, dass die meisten Karten nie ihren Bestimmungsort erreichten und monatelang in den Häfen von Cádiz und Málaga lagerten wo sie aufgrund der Feuchtigkeit verrotteten.
Besschwerden über minderwertige Ware
Das Ungleichgewicht zwischen Produktion und Vermarktung stürzte die Fabrik schließlich in eine massive Krise, die das spanische Finanzministerium dazu veranlasste, Produktion und Preise zu kürzen. Doch erwiesen sich diese Maßnahmen als wirkungslos. Die Karten waren qualitativ eher mittelmäßig und deutlich teurer als Schmuggelware aus Europa.
In Übersee häuften sich die Beschwerden über minderwertige Ware, hohe Preise und langwierige Lieferungen. Der Versuch, den Nachschub an hochwertigen Karten für den amerikanischen Markt zu kontrollieren, war letztlich am Binnenwettbewerb durch Schmuggelware gescheitert.
Ein Firmenfiasko kündigte sich an: 1791 wurde die Fabrik zeitweise geschlossen und 1799 wiedereröffnet. Der Spanische Unabhängigkeitskrieg (1808-1814) und Epidemien versetzten dem Geschäft den finalen Schlag.
So wurde die Spielkartenfabrik nach einem königlichen Erlass von 1815 endgültig stillgelegt und die Herstellung von Spielkarten im gesamten Königreich erlaubt.
Das Gebäude und seine Einrichtungen im Ortszentrum neben der Kirche San Jacinto, die den heutigen Nummern 15 bis 23 der Calle Real entsprechen, wurden kurze Zeit später versteigert. Im Laufe der Jahre wurde die ehemalige Fabrik in ein Wohngebäude umgewandelt.
Dennoch hatte die Fabrik in Macharaviaya beachtliche Spuren hinterlassen. Das ursprünglich landwirtschaftlich geprägte Dorf erhielt eine moderne Infrastruktur, es enstanden Arbeitsplätze und soziale Veränderungen.
Heute befindet sich das alte Fabrikgebäude in Privatbesitz, doch es bleibt ein Monument, das an eine Phase industrieller Innovation, technischer Herausforderung und globaler Wirtschaftspolitik erinnert, in einer Zeit, als Spielkarten weit mehr waren als simple Unterhaltung.
Quellen: Junta de Andalucía, Diputación de Málaga