Orca-Angriffe in Spanien
In den letzten Wochen häufen sich Berichte über Orca-Angriffe in Spanien. Die Anzahl der Interaktionen zwischen Orcas (Schwertwalen) und Booten nimmt in spanischen Gewässern zu, insbesondere in der Straße von Gibraltar und vor den Küsten Galiciens, mit allein in den letzten drei Jahren 500 dokumentierten Vorfällen.
Die Angriffe sind nicht neu. Fest steht aber: Im April und Mai diesen Jahres musste die spanische Küstenwache mehrere betroffene Boote und ihre Besatzungen an der Straße von Gibraltar bergen.
Am 5. Mai ging das Schweizer Boot “Champagne” nach einem Zwischenfall mit Orcas in der Straße von Gibraltar sogar unter. Die vierköpfige Besatzung befand sich auf einem Törn von Teneriffa über Málaga nach Palma de Mallorca.
“Es waren zwei kleine und ein größerer Killerwal. Die kleinen schlugen von hinten gegen das Ruder, während der große Killerwal immer wieder das Boot mit voller Wucht von der Seite rammte”, erzählt der Skipper der “Champagne”, Werner Schaufelberger, der Segel-Fachzeitschrift Yacht.
Laut dem erfahrenen Segler schienen die kleineren Schwertwale den größeren Wal zu imitieren. “Sie beobachteten die Technik des Großen und rammten das Boot auch mit einem leichten Aufwärtsschlag”, fügte er hinzu.
Die spanische Küstenwache rettete die Besatzung und schleppte die “Champagne” nach Barbate, wo sie am Hafeneingang sank – das dritte Schiffswrack, das in den letzten drei Jahren durch Schwertwale verursacht wurde.
Nachahmungseffekt der Schwertwale in Spanien
Doch warum agieren viele Orcas plötzlich so? Wissenschaftler haben sich schon lange über die Gründe für diese Verhaltensänderung Gedanken gemacht, die vor den letzten drei Jahren anscheinend nie auftrat.
Jetzt zeichnet sich jedoch eine mögliche Antwort ab, ähnlich wie Schaufelbergers Beobachtung: Es gibt wahrscheinlich einen “Nachahmungseffekt” nach einem traumatischen Vorfall mit einem Schwertwal, den die Forscher Blanca Gladis genannt haben.
Blanca Gladis erlitt einen “kritischen Moment des Leidens” während eines Vorfalls mit einem Boot, bei dem sie beim illegalen Fischen gefangen wurde. Dies löste eine Verhaltensänderung bei dem Tier aus.
“Dieser traumatisierte Schwertwal hat den physischen Kontakt mit dem Boot eingeleitet”, sagt Alfredo López Fernández, der als Biologe an der Universität Aveiro in Portugal arbeitet und Mitglied der Arbeitsgruppe Orca Atlántica ist. Auf der Homepage der Organisation werden Interaktionen von Orcas registriert.
In den meisten der gemeldeten Fällen, die jetzt von dem Fachmagazin “Live Science” veröffentlicht wurden, haben Schwertwale das Ruder eines Bootes attackiert und es gebissen, verbogen oder gebrochen, berichtet der Artikel.
Die Autoren weisen darauf hin, dass Schwertwale soziale Wesen sind, die Verhaltensweisen leicht erlernen und reproduzieren können. “Die Hypothese, dass der Ursprung des Abwehrverhaltens der Orcas eine Art Trauma ist, gewinnt immer mehr an Bedeutung”, sagte López Fernández.
Der Forscher glaubt jedoch nicht, dass die älteren Schwertwale den jüngeren beibringen, sich den Booten zu nähern: “Das Verhalten hat sich auf die Jungen durch Nachahmung übertragen”, so López Fernández.
Sorgen um die Tiere
Die Begegnungen zwischen Schwertwalen und Booten haben die Sorge um die Tiere verstärkt. “Wenn diese Situation anhält oder eskaliert, könnte das zu einer echten Gefahr für die Sicherheit der Bootsfahrer und zu einem Erhaltungsproblem für diese gefährdete Unterpopulation von Schwertwalen werden”, warnte der Forscher.
Die spanische Regierung hat bereits Maßnahmen ergriffen, um die Angriffe von Orcas auf Boote zu verhindern. Nachdem Fahrverbote für kleinere Boote mit einer Schiffslänge von bis zu 15 Metern in bestimmten Meereszonen wenig gebracht hatten, begann man kürzlich damit, einzelne Orcas mit GPS-Trackern zu bestücken, um sie orten zu können und Skipper frühzeitig auf mögliche Angriffe vorzubereiten.
Quellen: El Mundo, El País, Diario SUR, Yacht.