Inflation fällt in Spanien im Juni mit 1,9 Prozent unter die Zielmarke der EZB

Die Teuerung liegt in Spanien deutlich unter dem Durchschnittswert der der Euro-Zone (5,5 Prozent), Deutschland (6,4 Prozent) und Österreich (8,0 Prozent).

Inflation in Spanien im Juni 2023
Sinkende Kraftstoff- und Strompreise sind hauptverantwortlich für den Rückgang der Inflation

Inflation in Spanien im Juni 2023

Während Europa immer noch unter einer relativ hohen Teuerung leidet, fällt die Inflation in Spanien (IPC) im Juni mit 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr unter die EZB-Zielmarke von zwei Prozent. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (spanisch: IPCA) ist sogar auf 1,6 Prozent gefallen. Dieser Wert dient der Europäischen Zentralbank (EZB) als zentraler Indikator zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Preisstabilität innerhalb der Eurozone.

Damit hat Spanien als erste große Volkswirtschaft Europas die Inflation unter die magische Grenze von zwei Prozent gedrückt. Im Mai lag die Inflation in Spanien noch bei 3,2 Prozent.

Das Land steht damit deutlich besser da als der Durchschnittswert der der Euro-Zone. Dort beträgt die Inflation im Juni immer noch 5,5 Prozent. In Deutschland liegt die Teuerung noch höher, bei 6,4 Prozent, in Österreich sogar bei glatten acht Prozent.

Warum gelingt es ausgerechnet Spanien die Inflation sogar unter das EZB-Ziel zu drücken? Die Regierung Sánchez– mitten im Wahlkampf – beansprucht den Erfolg auf ganzer Linie für sich und hat gerade vor ein paar Tagen entschieden, das Anti-Krisen-Paket fast vollumfänglich bis Ende des Jahres zu verlängern.

Hierzulande sind unter anderem noch Steuern auf Energie und die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel reduziert beziehungsweise komplett auf null gestellt; der öffentliche Nahverkehr ist ermäßigt bis gratis und gewerbliche Kraftfahrer sowie Landwirte und Viehzüchter erhalten pro Liter Benzin an der Tankstelle eine Ermäßigung in Höhe von 10 Cent je Liter.

Gesunkene Energiepreise drücken die Inflation

Das spanische Statistikamt (INE) macht indes in erster Linie die stark gesunkenen Preise für Energie und Lebensmittel im Vergleich zum Juni 2022 für den deutlichen Rückgang der Inflation verantwortlich.

Vor einem Jahr lag die Inflation in Spanien mit zehn Prozent noch leicht über dem EU-Schnitt. Grund dafür war auch eine eigenwillige Berechnung der Stromkosten, die dafür gesorgt hat, dass sich die damals hohen Energiepreise überproportional stark auf die Inflation auswirkten.

Etwa 40 Prozent der Haushalte zahlen den regulierten Strompreis, der direkt von den Preisen auf dem Spotmarkt abhängig ist. Das INE berücksichtigt für die Kalkulation der Strompreise aber eben nur diesen sogenannten regulierten Tarif. Stark steigende Energiepreise schlugen damit im vergangenen Jahr umgehend auf den regulierten Strompreis durch, den allerdings nur 40 Prozent der spanischen Haushalte und 70 Prozent der Unternehmen zahlen.

Da nun ebendieser regulierte Strompreis in den vergangenen Monaten stark gesunken ist, hat das einen positiven Einfluss auf die Teuerung.

Kerninflation weiter hoch

Die für die EZB wichtige Kerninflation, die die volatilen Preise für Energie und frische Lebensmittel ausklammert, lag in Spanien im Juni allerdings bei 5,9 Prozent und damit um ganze 4 Prozentpunkte höher, als die allumfassende Teuerung. Im Vergleich zum Juni 2022 ist die Kerninflation in Spanien lediglich um 0,2 Prozentpunkte zurückgegangen. Dazu kommt, dass die Kerninflation im Euro-Raum mit 5,4 Prozent im Juni niedriger ist als in Spanien.

Mit anderen Worten: ohne die Berücksichtigung der Preise für Energie und frische Lebensmittel ist die Inflation in Spanien sogar etwas höher als im EU-Durchschnitt.

EZB-Zinserhöhungen wirken in Spanien schneller

Miguel Cardoso, Chefökonom bei der Bank BBVA, macht für die besseren spanischen Daten bezüglich der Gesamtinflation auch die Lohn- und Konsumzurückhaltung im Land verantwortlich.

So sei der inländische Konsum in Spanien im letzten Quartal 2022 und im ersten Quartal 2023 deutlich gesunken, weil die Zinserhöhungen der EZB die Hypothekenlast der Haushalte verteuert hätten. In Spanien werden die meisten Darlehensverträge mit einem variablen Zins abgeschlossen.

Das bedeutet, dass der Zinssatz in der Regel einmal im Jahr angepasst wird. Und wenn die Zinsen innerhalb eines Jahres plötzlich um 4 Prozent steigen, verteuert das die Darlehensraten erheblich. Konsumverzicht ist dabei noch eine logische wie harmlose Folge. Kreditausfälle sind jetzt in Spanien an der Tagesordnung. Das gilt für Privatpersonen wie auch für Unternehmen.

Diese Tendenz bestätigt indirekt auch die spanische Zentralbank (Banco de España) in einem am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Bericht, aus dem hervorgeht, dass im Jahr 2020 rund 7 Prozent der Haushalte ihre lebensnotwendigen Ausgaben nicht mit ihrem gesamten Bruttoeinkommen decken konnten; im Jahr 2022 waren es bereits 9 Prozent aller spanischen Haushalte – Tendenz steigend.

Cardoso erwartet indes, dass die Inflation in Spanien bis Ende des Jahres wieder leicht ansteigen wird, auf etwa 2,5 bis 3 Prozent.

Quellen: Handelsblatt, INE, Banco de España

HINTERLASSE EINE ANTWORT

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein