Birgit Theewen im Interview in Marbella
Die Deutsche Birgit Theewen oder Brigitta, wie sie hier liebevoll von den Spaniern genannt wird, kam vor 26 Jahren nach Marbella. Seit mehr als zwanzig Jahren betreibt sie das charmante Restaurant Il Cantuccio im Herzen der Altstadt von Marbella.
Mit Leidenschaft und Kreativität kocht sie mediterrane Gerichte. Von Brot und Nudeln bis hin zum Nachtisch ist alles selbstgemacht.
Mit ihrer herzlichen Art hat sie mit ihrem kleinen aber feinen Restaurant einen Ort mit einem besonderen familiären Ambiente geschaffen, bei dem jeder sich schnell wie zu Hause fühlt.
Wir haben mit Birgit Theewen über ihre Erfahrungen in Spanien gesprochen.
Frau Theewen, wie kam es, dass Sie nach Marbella gezogen sind?
Eigentlich wollte ich nie nach Spanien. Ich habe in der Schweiz gearbeitet und Freunde haben hier in Marbella ein Haus gehabt, und so kam ich praktisch durch Zufall das erste Mal nach Marbella. An meinem Geburtstag im Oktober bin ich noch einmal hergefahren und da wusste ich schon, dass ich nach Marbella ziehen möchte. Ich habe meinen Job in der Schweiz gekündigt und bin dann am 23. Dezember 1999 umgezogen. Mittlerweile sind es 26 Jahre. Ich hatte allerdings gleich einen Job, also ich bin hier nicht als Auswanderin auf gut Glück hergezogen.

Wussten Sie da schon, dass sie ein Restaurant eröffnen werden?
Das Restaurant ist mir damals sofort ins Auge gefallen. Es hatte Charme und diese Straße auch. Dieses Restaurant gibt es schon seit über 60 Jahren, es hieß anfangs Valentino. Es hatte damals sehr viel mit dem legendären Restaurant La Fonda zu tun. Ins La Fonda kamen die Leute, die gesehen werden wollten, und ins Valentino kamen diejenigen, die nicht gesehen werden wollten.
Ich habe mich von Anfang an in dieses Restaurant verliebt, das nun Il Cantuccio hieß, und habe alles versucht, es zu bekommen. Die Geduld hat sich schließlich ausgezahlt: als die Frau des italienischen Besitzers schwanger war, bekam ich endlich mein Restaurant. Den Namen Il Cantuccio habe ich gelassen und auch zuerst nur italienische Küche gemacht. Mittlerweile biete ich eine mediterrane Küche.
Aber Sie machen immer noch ihre hausgemachten Ravioli?
Ja, und ich mache auch nach wie vor Ochsen-Schwanz, ein Gericht, das es auch in Italien gibt. Ich versuche nur mit regionalen und teilweise sogar mit biologischen Produkten zu arbeiten. Ich kaufe keine Massenware, sondern ich gehe auf dem spanischen Markt in Divina Pastora einkaufen. Da habe ich ein paar kleine Geschäfte, die teilweise das Gemüse selber anbauen, da sind Fischhändler und auch Metzger.
Haben Sie sich gut eingelebt hier in den vielen Jahren?
Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn. Von meiner Nachbarin Pepa bekomme ich Eier und ich bin die Einzige, die Eier bekommt. Und wenn ich so tagsüber in der Küche am Vorbereiten bin, dann klopft es schon mal und dann bringt mir Pepa irgendwas, was sie gerade gekocht hat, eine Fischsuppe oder Boquerones. Das war immer so. Die Spanier haben mich hier sehr herzlich aufgenommen.

Wie hat sich Marbella aus Ihrer Sicht entwickelt, in den 26 Jahren, die Sie jetzt schon dort sind?
Es hat sich sehr viel geändert, aus meiner Sicht aber nicht alles zum Positiven. Die Altstadt war das spanische Eck in Marbella, wo die Spanier seit jeher wohnten und ihre Häuser hatten. Viele dieser Häuser und Wohnungen wurden in den vergangenen Jahren zu Touristenwohnungen. Und es werden immer mehr Hotels gebaut. Dadurch wird der Wohnraum für Einheimische knapp und die Preise steigen und steigen. Vieles wird hier dem Massentourismus geopfert.
Und gerade im Sommer ist das Publikum hier schon gewöhnungsbedürftig. Manche kommen mit Badelatschen und Strandkleidung ins Restaurant. Das ist für mich ein absolutes No-Go. Besonders ärgerlich ist zudem die Unsitte zu reservieren und dann nicht zu kommen.
Was machen Sie, wenn Sie nicht im Restaurant sind? Gibt es Lieblingsplätze?
Nach über einem Vierteljahrhundert hat man so seine Lieblingsorte. Wir fahren gern nach Córdoba. Das hat auch kulturell ganz viel zu bieten und spannende Restaurants. Und in die Kirche gehe ich auch manchmal hier auf dem Platz. Von hier aus startet auch einer der Umzüge während der Semana Santa.
Sie gehen mit der Prozession mit?
Ja, aber ich muss dazu sagen, das sind sechs Stunden laufen, mir tun am nächsten Tag die Füße weh, das ist das Problem. Die Bruderschaft will nicht, dass ich bei den Nazarenern mitlaufe, denn da könnte ich flache Schuhe anziehen.
Sie sind Mitglied in einer Bruderschaft?
Ja, in der Bruderschaft Santo Cristo de la Vera Cruz. Man hat mich praktisch dazu genötigt, Mitglied zu werden (lacht). Also, nach ein paar Jahren haben die Nachbarn gesagt, jetzt ist aber gut. Du lebst hier und jetzt musst du auch mal mitgehen.
In den vielen Jahren gab es sicher einige herausragende Begebenheiten?
Ja, besonders schön war für mich die Hochzeit meiner Tochter, die wir hier auf dem Platz vor der Kirche gefeiert haben. Ich war die Erste, die hier am Platz eindecken und Tische aufstellen durfte. Da kamen über 100 Personen und wir haben eine schöne Hochzeit ausgerichtet, mit Flamenco und allem drum und dran. Die Braut kam auch mit einer Kutsche, so wie sich das hier gehört.
Und nach Corona. Das war für uns alle hart, aber natürlich für mich auch finanziell. Aber ich bin immer noch da. Da kamen nach der Pandemie die ersten Gäste wieder und die Gäste haben geweint und ich habe auch geweint. Ich habe viele ältere Gäste und war froh, dass sie gesund waren. Das war schön, dass sie alle wiedergekommen sind. Mit einigen unternehmen wir auch privat was. Teilweise sind unsere Gäste mittlerweile wirklich gute Freunde geworden.
Sie und ihr Mann Raimund kennen sich schon seit 19 Jahren. Sie haben aber gerade erst geheiratet?
Ja, im November. Ich musste meinen Mann überreden (lacht). Aber wir haben in Deutschland geheiratet, in Solingen, nicht hier in Spanien. Raimund war mit der Patrizia befreundet, eine platonische Freundschaft. Sie hat bei mir als Kellnerin gearbeitet. Und so kam es, dass wir uns hier kennengelernt haben.

Sie haben sicher viele deutschsprachige Gäste?
Ich habe viele Stammgäste von überall her und ein sehr herzliches und freundschaftliches Verhältnis zu meinen Gästen, denn sie kommen schon seit vielen Jahren zu mir. Sie schreiben mir auch. Es freut mich sehr, wenn sie immer wieder kommen. Das ist hier sehr familiär.
Viele deutsche Gäste kommen sicher auch aufgrund Ihres geradezu legendären Gänsebratens und dem Spargel?
Den Gänsebraten biete ich zu Sankt Martin an. Früher habe ich den nur bis zum 22. November gemacht und bin dann in den Urlaub gefahren. Aber in der Corona-Zeit haben die Leute die Gänse nach Hause bestellt und da hat es sich herumgesprochen. Ich habe dieses Jahr bis zum 6. Januar Gänsebraten gemacht. Das war eigentlich gar nicht geplant.
Spargel mache ich immer zur Spargelzeit ab 1. April. Unser Spargel kommt aus Navarra und den bereite ich klassisch zu, entweder mit Schinken oder mit einem Kalbsschnitzel.
Ich muss dazu sagen, dass es bei mir keine Weinkarte gibt. Ich habe eine Auswahl an Weinen, die ich am Tisch empfehle. Und sollte einer den Wein nicht mögen, dann nehme ich den Wein natürlich zurück. Hätte ich eine Weinkarte, würde ich den Wein nicht zurücknehmen. Das kommt gut an. Die Gäste finden das toll.
Das Interview führte Dana Nowak für Costa del Sol ONline.