Klaus Hofsaess: “Ich genieße das Licht und dass man das ganze Jahr über im Freien sein kann”

Im Interview spricht der ehemalige Tennistrainer von Steffi Graf und Boris Becker wie es zur Klaus Hofsaess Academy kam und warum er das Leben an der Costa del Sol so schätzt

Klaus Hofsaess im Interview
Klaus Hofsaess auf der großen Terrasse seiner Tennis-Akademie in Marbella.

Klaus Hofsaess im Interview

Die Idee, eine Tennisakademie in Spanien zu eröffnen, wurde Klaus Hofsaess eher zufällig zugetragen. Als er 1984 erstmals darauf angesprochen wurde, war der damalige Bundestrainer der deutschen Tennis-Damen eher skeptisch.

Doch das Projekt nahm im Laufe der Zeit immer konkretere Konturen an. Einen großen Anteil daran hatte dabei die Deutsche Schule Málaga, der direkte Nachbar auf dem Monte Elviria in Marbella. Schließlich übernahm Hofsaess die Akademie komplett und führte sie zu einer der angesehensten Tennisschulen in Europa, wenn nicht sogar der Welt.

Jedes Jahr kommen viele Nachwuchstalente aus unterschiedlichen Ländern nach Marbella. Waren es früher bekannte Spielerinnen wie die Spanierin Arantxa Sánchez Vicario oder die Zverev-Brüder aus Deutschland, schaffte vor ein paar Jahren etwa Weißrussin Victoria Azarenka den Sprung vom Trainingsgeländer der Hofsaess-Akademie an die Spitze der Weltrangliste.

Im Interview mit Costa del Sol ONline erzählt der ehemalige Tennistrainer von unter anderem Steffi Graf und Boris Becker, wie es überhaupt zur Klaus Hofsaess Academy kam, was sich im Spitzentennis geändert hat und warum er und seine Familie das Leben an der Costa del Sol so sehr schätzen.

Herr Hofsaess, wie kam es eigentlich damals zu der Idee, eine Tennisakademie in Spanien zu gründen?

Im Februar 1984 klingelte es an meiner Haustür in Hannover. Ich war damals Bundestrainer. Meine Frau öffnete die Tür und vor uns standen zwei Gestalten in Stiefeletten und Ledermänteln. Geschickt hatte sie angeblich Peter Graf (Vater von Steffi Graf). Sie gehörten zu einer Sportler-Vermarktungsgruppe. Und die beiden zeigten mir dann Pläne von einem Tenniscamp in Spanien einer Immobilienagentur, ob mich das nicht interessieren würde. Ich fand das zu dem Zeitpunkt noch verrückt und habe sie nach Hause geschickt.

Und wie ging es dann weiter?

Nach einem Turnier in Hamburg habe ich die beiden zufällig wiedergetroffen, mit den Leuten von der Immobilienagentur. Sie haben mich eingeladen, mir das ganze mal anzuschauen. Sie hatten das Gelände hier bei einem Urlaub zufällig entdeckt und da sie selber Tennisspieler waren, kam die Idee einer Tennisakademie auf. Der damalige Konsul Juan Hoffmann verhalf der Immobiliengruppe dann zum Erwerb des Grundstückes. Nach einem Turnier in Wimbledon bin ich dann mit einem Anwalt an die Costa del Sol geflogen und habe mir das ganze angesehen.

Wie war Ihr erster Eindruck vor Ort?

Es standen lediglich zwei halbfertige Tennisplätze da und viel Schutthaufen. Es gab noch keinen Wasser- oder Stromanschluss. Aber es war wunderschön, strahlend blauer Himmel, tolle Aussicht. Ich habe dann den beiden Herren vorgeschlagen, dass ich Ihnen erst einmal ein kostenpflichtiges Konzept entwerfen werde – auch um zu testen, wie seriös das ganze Vorhaben eigentlich war. Sie haben zwar geschluckt, aber letztlich eingewilligt.

Wann kam es dann zur Eröffnung?

Im November 1984 haben wir dann mit der Deutschen Schule zusammen ein großes Eröffnungsfest veranstaltet mit Flamenco-Show, einen Ochsen haben wir gebraten und dazu Journalisten aus Deutschland eingeladen, wie zum Beispiel Vertreter von der Frankfurter Allgemeinen, der Süddeutschen Zeitung, der BILD und einige mehr. Das war der Startschuss.

Kamen denn auch umgehend Anfragen rein?

Nun ja, der Anfang war schon etwas zäh. Erst ab Ostern 1985 kamen die ersten Gäste. Ich habe aber gespürt, dass das was werden kann und habe dann zehn Prozent des Geländes erworben. Auch beim Verkauf der ersten Häuser rund um die Tennisakademie habe ich mitgeholfen. Einer der ersten Käufer war damals übrigens Pavel Složil, der später auch Steffi Graf trainiert hat.

Ab wann gehörte Ihnen dann die komplette Tennisakademie?

1989 waren eigentlich alle Häuser des Projektes verkauft. Die Besitzer der Immobilienfirma hatten sich allerdings in der Zwischenzeit zerstritten, das Geschäft in der deutschen Heimat lief anscheinend nicht mehr so gut. Daraufhin habe ich vorgeschlagen, dass ich ihnen die Akademie abkaufen würde. Sie willigten ein, aber ich hatte natürlich gar nicht so viel Geld. Dank eines Kontaktes über die Lufthansa, die damals auch die Nationalmannschaft gesponsert hatte und öfters auch bei Turnieren vor Ort war, konnten wir über einen Banker der Deutschen Bank das Projekt kurzfristig zwischenfinanzieren. Es war sehr aufregend damals, wir saßen bei der Kanzlei Dr. Frühbeck Abogados und mussten noch warten, weil die Pesete ständig auf und ab ging. Es ging zu wie auf dem Jahrmarkt (lacht).

Welche Rolle spielte bei dem ganzen eigentlich die Deutsche Schule Málaga?

Eine sehr große. Mein Traum war es schon immer, eine eigene Akademie zu haben. Aber wir mussten hier in Marbella auch viel Pionierarbeit leisten. Es war ja wie gesagt am Anfang kaum etwas da. Für mich war es essentiell, dass die Schule da war, sonst hätte ich es gar nicht gemacht. Für mich gibt es drei Leitsätze im Zusammenhang mit jungen Tennistalenten: Die Kids sollen zur Schule gehen, nicht auf andere Mitstreiter schauen (an guten Spielern kann man sich natürlich schon orientieren) und zu Hause am besten nicht über Tennis reden. Viele hören bereits mit 12 oder 15 Jahren mit der Schule auf, doch die Ausbildung ist sehr wichtig. Es gibt Zigtausende, die Profis werden wollen, aber unter die besten 100 kommt man eben nur ganz schwierig rein.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Arantxa Sánchez Vicario kam beispielsweise mit zwölf Jahren hier her. Sie ging drüben in die Schule und trainierte dann in der Akademie. Ich kannte ihre Brüder von der Tour. Sie hätten da eine talentierte Schwester, sagten sie mir. Und ja, sie war tatsächlich sehr talentiert (schmunzelt).

Sánchez Vicario war zeitweise eine große Konkurrentin von Steffi Graf. Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu der deutschen Ausnahmeathletin?

Ja klar, wir telefonieren noch oft. Ich habe sie auch mehrmals in Las Vegas besucht. Wir haben nach wie vor ein sehr inniges Verhältnis.

Wie lange haben Sie Steffi Graf eigentlich begleitet?

Das erste Mal habe ich Steffi bei der deutschen Jugendmeisterschaft 1979 gesehen. Ich bin 1981 Bundesjugendtrainer geworden und gleich ein Jahr später 1982 dann Teamchef der Damen. Insgesamt habe ich das 16 Jahre gemacht.

Waren viele deutsche Profis hier in der Akademie?

Im Laufe der Jahre waren immer wieder Trainingslager hier, das hat sich ja angeboten. Boris Becker zum Beispiel, das Davis Cup Team, das Team des Federation Cups und viele mehr.

Und aktuell?

Wir hatten gerade erst einen DTB-Lehrgang mit Barbara Rittner, die mit fünf Spielerinnen hier war.

Ansonsten ist Ihre Akademie vor allen Dingen als Talentschmiede auf internationaler Ebene bekannt, richtig?

Momentan ist eine junge und sehr talentierte Russin hier. Sie geht auch in die Deutsche Schule, die das ermöglicht hat. Es ist wie gesagt wichtig, dass die Kids auch regelmäßig zum Unterricht gehen und den Kopf beschäftigen. Außerdem kann man ja nicht viel mehr trainieren, als zwei Mal am Tag.

Klaus Hofsaess im Interview
An den Wänden der Akademie haben sich viele Stars verewigt.

Mentale Stärke der Topspieler

Sie haben einmal gegenüber dem Tennismagazin gesagt, dass es nach Steffi Graf keine Spielerin mehr gab, die Graf hätte schlagen können. Wie haben Sie das gemeint?

Schauen Sie doch einmal auf die aktuelle Weltrangliste der Damen. Wissen Sie, wer gerade erste ist? Das wechselt in den letzten Jahren so oft. Die Spielerinnen sind weit nicht mehr so konstant. Bei den Herren gibt bzw. gab es bis vor kurzem noch die drei Großen mit Nadal, Djokovic und Federer, oder denken Sie beispielsweise an Pete Sampras. Die haben alle 14 Grand Slam Turniere gewonnen oder mehr. Das hat aber nichts mit dem vermeintlich besseren Schlag oder der Spieltechnik zu tun, sondern die sind einfach im Kopf unheimlich stark. Bei Steffi Graf hießen die Gegnerinnen Martina Navratilova und Chris Evert, die hatten jeweils 18 Grand Slams gewonnen. Und es gab Arantxa Sánchez Vicario, Gabriela Sabatini und später noch Monica Seles.

Und warum gibt es das im Damen-Tennis heutzutage nicht mehr?

Die mentale Stärke von Graf, Navratilova und Co. war damals schon etwas Besonderes. Ich denke vor allen Dingen, dass äußere Einflüsse heutzutage viel größer sind. Denken wir dabei zum Beispiel nur an die sozialen Netzwerke. Aber auch das direkte Umfeld der Spielerinnen ist viel größer und unübersichtlicher geworden. Schauen Sie sich mal an, wer da alles in den Boxen der Spieler sitzt. Früher waren das vielleicht zwei, drei Personen. Oder nehmen wir das Beispiel von Emma Raducanu. Eine gute Spielerin und zudem sehr attraktiv. Nach dem Sieg bei den US Open wurde sie regelrecht verbraten: Werbung, Trainerwechsel, Einstieg von Managementgruppen, auf der Premierenfeier des neuen James Bond und und und. Ab Montag wird sie nicht mehr unter den ersten 100 der Weltrangliste stehen.

Die letzten Topspielerinnen über mehrere Jahre waren die Williams-Schwestern, oder?

Genau. Serena Williams hat ja noch gegen Steffi Graf gespielt. Das war eine kurzfristige Überschneidung zweier Tennislegenden, ähnlich wie bei den Herren damals zwischen Sampras und Federer. Solche Zyklen gibt es im Tennis schon immer wieder. Der Unterschied zwischen einem guten Tennisspieler und einem, der sich in den Top Ten hält, liegt meines Erachtens eben vor allen Dingen auf der mentalen Ebene.

Wie sehen sie in diesem Zusammenhang eigentlich die Entwicklung der Spanierin Garbiñe Muguruza, die auch Mal Nummer 1 der Damen war und jetzt auf 132 abgerutscht ist?

Wenn Du es einmal nach oben geschafft hast, dann musst Du noch härter arbeiten. Ein Beispiel von Steffi Graf: Die hat am Sonntag in Paris bei Roland Garros gewonnen, wir waren noch Abendessen und am Montag ging es gleich weiter nach Wimbledon. Keine Party, kein Empfang beim Bürgermeister, keine Triumphfahrt durch Heidelberg, sondern gleich das nächste Ziel vor Augen. Das ist der Unterschied. Dafür musst Du mental stark sein, brauchst aber natürlich auch das richtige Umfeld.

Das Leben an der Costa del Sol

Apropos Umfeld, wenn ich hier so über die Hügel des Monte Elviria bis zum weiten Meer schaue, dann gehe ich davon aus, dass sie den Erwerb der Akademie 1984 trotz aller Probleme damals nicht bereuen, oder?

Nein, ganz und gar nicht. Es ist ein Traum in Erfüllung gegangen und ich freue mich nach wie vor, hier leben zu dürfen. Damals waren hier ja nur Feldwege und man musste mit dem Jeep durch die Gegend karren. Inzwischen ist viel entstanden und bebaut worden. Aber es ist immer noch wunderschön. Es gibt immer noch einzigartige Plätze, wo Du alleine bist und die Natur genießen kannst. Man ist das ganze Jahr über im Freien. Es ist fast immer hell und man bekommt viel Energie dank des vielen Sonnenscheins.

Gibt es Orte, an denen Sie besonders gerne sind?

Die Provinz Cádiz mögen wir sehr gerne, insbesondere die Gegend um Tarifa. Hier an der Costa del Sol gehen wir sehr gerne runter in eines der vielen Chiringuitos, zum Beispiel im Marbella Club Hotel – obwohl man da nicht jeden Tag hingegen kann (lacht). Die spanische und andalusische Gastronomie liegt mir zudem sehr, diese kleinen liebevollen Tapas, eine frische Caña, das ist schon herrlich.

Sind Sie noch oft in Deutschland?

Nicht mehr wirklich oft, vielleicht einmal im Jahr bei einem Tennisturnier oder so. Aber ich fahre gerne mal nach Madrid oder Barcelona und gehe dort ins Stadion. Ich bin ein großer Fußballfan, habe selber gespielt. Beim FC Málaga war ich übrigens auch jahrelang Dauerkartenbesitzer. Aber mit der Regentschaft von Al Thani, besonders ab dem Zeitpunkt, als er aufgehört hat, für den Club zu arbeiten, ist mir die Lust vergangen. Trotzdem drücke ich den Blau-Weißen natürlich nach wie vor die Daumen und hoffe, dass sie den Klassenerhalt noch irgendwie schaffen. Ein Neuaufbau ohne Al Thani wäre wünschenswert.

Klaus Hofsaess im Interview
Der Ausblick von der Hofsaess Tennis Academy kann sich sehen lassen.

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